Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Wenn das Buch dazu beitragt, dem Lehrer der Geschichte die mühevolle Arbeit soweit zu erleichtern, daß er seine ungeteilte Aufmerksamkeit der lebenswahren Darstellung der Rechte, Sitten und Gewohnheiten unseres Volkes zuwenden kann, dann ist unser höchster Wunsch erfüllt. Wir zweifeln nicht daran, daß damit den Kindern alles, was sittlich gut und wahrhaft schön ist im deutschen Volksleben, verehrungswürdig und erstrebenswert erscheint, namentlich aber die innige Liebe zum Vaterlande ihnen zur andern Natur wird. Wohlgemeinte Verbesserungsvorschlage für unser Buch werden wir stets dankbar entgegennehmen und nach Möglichkeit berücksichtigen.
Osnabrück, im März 1891.
Friedr. Dreyer.
Vorwort zur zweiten Auflage.
schneller als ich hoffen bürste, ist eine neue Anflage des ersten Teiles der „Deutschen Kulturgeschichte" nötig geworden. Sie legt mir die Pflicht auf, gewissenhaft zu prüfen, was zur Verbesserung des Gebotenen nach Inhalt und Form gefordert werden muß.
Dem aufmerksamen Leser wird es nicht entgehen, daß ich redlich bestrebt gewesen bin, die Wünsche und Winke der Kritik zu beachten. Bei der Kürze der Zeit, die mir zur Durcharbeitung des ersten Teiles gelassen war, mußte ich mich indes auf die Prüfung des Stoffes beschränken. Ich habe dabei besonders folgende Werke zu Rate gezogen:
Dr. Otto Henne am Rhyn, Kulturgeschichte des deutschen Volkes.
Bd. 1. 2. Aufl. (Berlin, Grote),
Dr. Aug. Sach, Deutsches Leben in der Vergangenheit. Bd. 1 (Halle, Buchhandlung des Waisenhauses),
Karl Wilhelm Nitzsch, Geschichte des deutschen Volkes im elften und zwölften Jahrhundert. Bd. 1. 2. Aufl. (Leipzig, Duncker u. Humblot).
Albert Richter, Bilder ans der deutschen Kulturgeschichte. Bd. 1 (Leipzig, Brandstetter),
Bruno Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 1 (Stuttgart, Berlin, Leipzig, Union Deutsche Verlagsgesellschaft). Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte von Dr. Joh.
Müller und Joh. Falke (Nürnberg, Bauer und Raspe), Dieselbe, Neue Folge von Dr. I. H. Müller (Hannover, Schlü-tersche Hofbuchdruckerei).
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Extrahierte Personennamen: Dreyer Otto Grote Karl_Wilhelm_Nitzsch Karl Wilhelm Albert_Richter Brandstetter Bruno_Gebhardt H._Müller
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Leipzig Leipzig Stuttgart Berlin Leipzig Nürnberg Hannover
Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
Auflagennummer (WdK): 2
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vn
gesammelt, daß eine vollständige Durcharbeitung desselben zur Unmöglichkeit wird. Dennoch muß die Forderung: Studiere die Quellen selbst! als höchstes Ziel unseres Strebens festgehalten werden. Manchem fällt wohl dabei das Wort ein, das Goethe in seinem „Faust" dem Wagner in den Mund legt: „Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, durch die man zu den Quellen steigt!" Die großen Geschichtswerke sind sehr teuer, und wenigen nur ist es möglich, das eine oder das andere Buch käuflich zu erwerben. Hier und da bietet sich Gelegenheit' aus großen Bibliotheken Bücher zu bekommen. So bereitwillig aber auch die Leiter bedeutender Büchereien den Wünschen der Lehrer entsprechen — ich rede aus eigener Erfahrung — so wenig sind sie jedoch in der Sage, Bücher auf unbestimmte Zeit zu verleihen. Aus diesen Gründen ist das Studium der Quellen sehr erschwert. Der Unterricht kann aber nicht ausgesetzt werden, bis der Lehrer mit seiner Vorbereitung fertig ist; es heißt: weiter! zur Qual desjenigen, der wie einst Tantalos die Früchte sieht, ohne sie erreichen zu können.
Von solchen und ähnlichen Gedanken und Empfindungen bewegt, habe ich versucht, den für die im Vorwort zur ersten Auflage näher
bezeichneten Schulen etwa nötigen und zulässigen Stoff zu sammeln.
Die „Deutsche Kulturgeschichte" bietet so viel, daß der Leser imstande ist. die kulturgeschichtlichen Züge in das Bild seines Helden zu verweben. wie und wo die Darstellung es erfordert. Zugleich erleichtert das kleine Buch die gelegentliche Belehrung über kulturgeschichtliche Dinge, wozu fast jede Unterrichtsstunde, jeder Ausflug mit den Schülern Gelegenheit giebt. Wenn solche Belehrungen auch meist kurz gehalten werden müssen, so trogen sie doch dazu bet, daß das Interesse für die Geschichte rege bleibt, zugleich sind sie nach meinen Er-
fahrungen eine wertvolle Ergänzung der eigentlichen Geschichtsstunde. Der Sorge für die Vorbereitung auf den Unterricht enthoben, kann jetzt der Lehrer an das Studium der Quellenwerke denken; jetzt hat er Zeit zu überlegen, wie er sie bekommt und Ruhe, sie zu benutzen. Der Gedanke, durch meine bescheidene Arbeit das Durchforschen der Quellen beseitigen zu können oder auch nur zu wollen, wie einer der Herren Recensenten andeutet, hat mir sehr fern gelegen. Ebensowenig verstehe ich die Behauptung, die „deutsche Kulturgeschichte" sei für die Lehrer „zugeschnitten". Davon konnte doch nur dann gesprochen werden, wenn Anhalt und Form des Buches eine besondere Vorbereitung aus die Geschichtsstunde überflüssig machten. Eine einfache Stoffsammlung kann man doch nicht ohne weiteres für eine Präparation ansehen. Mit ebendemselben Rechte wäre ein Haufen Steine ein Gebäude zu nennen. In einem andern Sinne, der die ursprüngliche Bedeutung des Wortes vielleicht etwas fchärfer trifft, als das Schlagwort des Herrn Recensenten, nehme ich das „zugeschnitten" recht gern an. Ich habe für Lehrer geschrieben, die nicht in der
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das Stammesheer. — Die Streitigkeiten der Stammesgenossen. die Bestrafung von Vergehen, die Regelung der Besitzverhältnisse entschied G-richtdas Gericht; gemeinsame Angelegenheiten des Stammes. Beschlußfassung über Krieg und Frieden, über die Wahl des Heerführers, samm- über Verträge mit andern Stämmen wurden auf der Stammesver-'un0' sammlung beraten und entschieden. Letztere fand an vorausbestimmten Tagen, entweder beim Neumond oder beim Vollmond, wahrscheinlich an den großen Opferfesten, statt. Die Vorsteher der Gerichte wurden in der Stammesversammlung gewählt. Sie hatten indes nicht selbst Recht zu sprechen, sondern die Verhandlungen nur zu leiten. „Jedem Princeps" (Fürsten), sagt Tacitus, „sind hundert aus dem Volke beigesellt zugleich als Ratgeber und zur Verstärkung seines Ansehens." In der Volksversammlung wurden Anklagen auf Leben und Tod erhoben. Die Strafen wurden der Schuld angepaßt. Widerrechtliches Verlassen des Heeres wurde z. B. mit dem Tode bestraft, geringere Vergehen mit Erlegung einer in Vieh bestehenden Buße gesühnt. Auch den Totschlag sühnte man in dieser Weise. Einen Teil der Buße empfing der Beschädigte, das übrige der Staat, oder wo es einen König gab, dieser. Man unterschied zwischen schandbaren und anderen Verbrechen. Erstere strafte man dadurch, daß man den Verbrecher in einem Sumpfe mittels eines überworfenen Geflechtes erstickte, letztere nach den Umständen öffentlich, z. B. durch Erhängen. Verrat und Abfall zum Feinde rechnete man nicht zu den schandbaren Verbrechen. — Die Hauptbeschäftigung der Stammesversammlung war die Beratung allgemeiner Angelegenheiten des ganzen Stammes: die Beschlußfassung über Krieg oder Frieden, über den Kriegsplan, über die Wahl des Heerführers, über Vertrage mit andern Stämmen u. dgl. Der Antrag ward entweder durch Murren abgelehnt, oder durch Zusammenschlagen der Waffen angenommen.
Kehgton Während Cäsar nur eine Art von Naturdienst bei den Germanen <bfenftrrtoa^r9enommen haben will, läßt sich aus den Berichten des Tacitus mit Sicherheit erkennen, daß neben der Verehrung der Natur die Anbetung von Göttern stattfand und eine höhere Stufe religiöser Kultur darstellte. Die religiösen Vorstellungen der Germanen waren vorzugsweise kriegerischer Natur. Sie verehrten als Hauptgottheiten Wodan, Donar und Ziu oder Saxnot. (wodan: ahd. watan [praet. wuot] — durchdringen.) Wodan ist das alldurchdringende Wesen; die Sage bekleidet ihn mit dem Mantel. Als Hackelbernd oder Hakul-
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376 der Religionsfreiheit ein Ende gemacht, indem er die Lehre des Athanasius für die allein wahre erklärte und damit die Verfolgung der abweichenden Richtungen in der Kirche einleitete. Ihm folgte auf diesem Wege der Imperator Theodosius, der 380 auch für den Osten des Reiches das nicänische Bekenntnis für die einzig rechtmäßige katholische (— allgemeine) Lehre erklärte. Fortan begann der Vertilgungskamps gegen die Arianer, und nur die Goten blieben unbe-lästigt.
Während die wandernden germanischen Stämme nach und nach dem Christentum gewonnen waren, herrschte im Innern Deutschlands immer noch das Heidentum.
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Für die Kolonisation im Südosten des Reiches ist Bayern der Ausgangspunkt geworden. Heinrich, Ottos d. Gr. Bruder, brach mit unerschütterlicher Ausdauer deutschem Wesen Bahn. Seine Arbeit führten in späterer Zeit die babenbergischen Herzöge (seit 1156) von Österreich weiter, sie sind die eigentlichen Verbreiter deutscher Kultur im Südosten. Der Strom der deutschen Einwanderung flutete bis in die östlichen Alpenthäler, bis an den Karst und bis nach Istrien, die äußersten Grenzen erreichte sie wohl in Siebenbürgen und am Südabhange der Karpathen. Aber hier blieb das slavische Element mitbestimmend, es bildete sich eine Mischung von deutschen und slavischen Elementen, während im Norden eine rein-deutsche Bevölkerung entstand. (Meist nach Müller.)
Alles staatliche Leben hat seine Grundlage im Familienleben, dieses ist der Keim, aus welchem jenes sich entwickeln muß, und die Ent- le6cn-Wicklung wird schneller oder langsamer, gedeihlich oder kümmerlich von statten gehen, je nachdem das Familienleben seinen eigenen Gesetzen folgt oder dieselben verleugnet und somit der Vernichtung entgegentreibt. Daß deutsche Kultur so hoch geschätzt wurde, erfolgreich in die fernsten Länder eindrang und deren schlummernde Kräfte zu mächtiger Entfaltung und hoher Blüte zu bringen wußte, ist jedenfalls nur eine Folge der gesunden Erziehung, welche das deutsche Kind im Elternhause empfing und die es befähigte, die größten körperlichen Anstrengungen zu ertragen, klaren Blickes auch in der Fremde sofort die Anknüpfungspunkte zu finden, welche leibliches wie geistiges Wohlergehen forderten, und mit unerschütterlicher Ausdauer die als richtig erkannten Wege stetig zu verfolgen. Schon im Altertume waren die deutschen Frauen wegen ihrer Keuschheit berühmt, und die Treue deutscher Ehegatten fand in ergreifenden Liedern die schönste Verherrlichung. Im wesentlichen gilt das auch von dem Eheleben in dieser Periode.
„Auf Grund einer Eheberedung der beiderseitigen Verwandten ge-1s-|erä schah die Verlobung von Braut und Bräutigam vor Zeugen. Der nächste männliche Verwandte der Jungfrau führte sie herzu. Sie sprach ihre Zustimmung aus. Der Bräutigam küßte sie und wechselte mit ihr die Ringe. Die Vermählung wurde unter gleichen Förmlich- Ber-keiten vollzogen. Die Verwandten versammelten sich. Man bestimmte Iu"a-das Heiratsgut. Das Brautpaar trat in den Kreis, welchen Geschlechtsgenossen und Freunde schlossen. Ein des Brauches kundiger
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Ottos
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wurde daher Waschwasser gereicht. — Die Hauptmahlzeit fand am Abend statt. Vormittags nahm man den Morgenimbiß. — Außer Geflügel. Wildbret und Fleisch vom Herdenvieh wurde namentlich Fisch in den mannigfaltigsten Zubereitungen aufgetragen. Mußten sich Arme mit einer Mehlsuppe und mit sonst dürftigen Lebensmitteln begnügen. so war der Tisch Wohlhabender mit allerlei Leckerbissen besetzt. mit Braten. Brühen und Gebäck. Besonders in den Klöstern scheint die Kochkunst ausgebildet zu sein. — Das Mittelalter besaß eine merkwürdige Liebhaberei für stark gewürzte Speisen. Pfeffer und andere edle Gewürze kamen in Handel und galten gelegentlich als wertvolle Beute. — Zu Fleisch und Gemüse genoß man Schwarzbrot aus Roggen oder Hafer und Weißbrot. Semmel und Brezel. — Met, Bier und Wein waren die gebräuchlichsten Getränke. Wie in der früheren Zeit wurden dem Weine würzige Stoffe beigemischt. Rheinwein und süßen Botzener schätzte man hoch. Aber auch das Erzeugnis der Rebenpflanzungen an der thüringischen Saale und sonst im nördlichen Deutschland wurde nicht verschmäht.
fungens M-nter den Vergnügungen nahmen die Trinkgelage eine hervorragende Stelle ein. An Saitenspiel und Gesang erfreuten sich Ritter und Bauern. Zum Klange der Harfe und Fiedel oder des Tanzliedes bewegten sich der ritterliche Mann und die vornehme Dame mit zierlichen Schritten und Geberden, näherten sich und flohen einander in sinnreichem Spiele. Die Bauern faßten die Hand ihrer Tänzerinnen, und zum Takte eines Liedes, das die Weiber sangen, traten die Paare den Reigen. — Die alte Leidenschaft für das Würfelspiel schien namentlich im Klerus unausrottbar. Gegen Ende des Zeitraumes ist vom Hasardspiele die Rede. Im Kugelspiele strebte jeder, die Kugel so nahe wie möglich an das Ziel zu schieben. Ungleich edler war Brett- und Schachspiel. Schachbrett wie Figuren hatten eine solche Größe und Schwere, daß sie im Notfälle als Waffen dienen konnten.
Der Besitz gezähmter Tiere und besonders abgerichteter Vögel ergötzte Männer und Frauen. Mit Staunen betrachteten die Deutschen die fremdartigen Tiergestalten aus der fernen Wunderwelt Asiens und Afrikas, wie sie den Kaisern von auswärtigen Fürsten zum Geschenke dargebracht wurden.
Turnier. In die Frühlingszeit verlegte man häufig die ritterlichen Waffenspiele, die ein Abbild ernster Reiterkünste waren. Im Buhurd trafen
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Asiens Afrikas Buhurd
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Verhandlungen, mochten diese in der Stadt selbst geschehen oder den Stadtschreiber als Gesandten zu Fürsten oder Städten führen. Seit dem dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert war er die Seele der Geschäfte und folgte an vielen Orten im Range gleich nach dem Bürgermeister.
Mit dem Anwachsen der Städte nahm der Umfang der einzelnen Geschäfte so zu, daß die gemeinsame Erledigung derselben, wie es anfänglich Regel war, nicht mehr durchgeführt werden konnte. Man wählte daher Ausschüsse, welche die in ihr Gebiet gehörenden Sachen bearbeiteten. Als Beispiel für eine derartige Teilung der Arbeit möge Basel dienen. „Dort hatten die ,Sieben' das Ungelt einzunehmen und zu verrechnen und das Archiv (Urkundenkammer) und das Zeughaus zu beaufsichtigen, die ,Dreiherrn' das Stadtsiegel und die Schlüssel zum Schatz zu bewahren, während die ,Fünfer' alle Bau-streitigkeiten entschieden und fünf ,Heimlicher' über geheime Kriegssachen berieten. Auch gab es ,Unzüchter', die Polizeifrevel aburteilten, aber ,nicht über die Händel der Buben richten sollten, die keine Hosen tragen'. Daneben hatten zwei Herren die Aufsicht über das Kaufhaus, die Feuerschauer mußten jährlich zwei Umgänge halten, drei Müllerherren die Müllerordnung handhaben, die Fleischhauer täglich in die ,Schein' gehen, die Roßstimmer die Pferde schätzen, die Fischschauer, Schafbeschauer. Hering- und Brotbeschauer ihres Amtes warten, ein Salzmeister, dem Salzmesser zur Seite standen, das Salzhaus, der Kornmeister den Schlüssel zum Kornhause und den Kornhandel besorgen."
Wie genau aber auch die Leitung städtischer Angelegenheiten geregelt sein mochte, so giebt doch das vorstehend Mitgeteilte nur einen schwachen Begriff von der Vielseitigkeit, die sich im Getriebe einer Stadt bemerklich machte. Sie enthielt z. B. die einzelnen ländlichen Gemeinden, aus denen sie zusammengewachsen war. immer noch ge> sondert. Vorsteher derselben waren die Burrichter oder Heimburgen, deren Bezirk den Psarrsprengel umfaßte und die dort eine gewisse bürgerliche Leitung ausgeübt haben, ehe der Stadtrat ins Leben trat. Sie konnten also nicht ohne weiteres beseitigt werden, sondern der Rat mußte ihnen gewisse Befugnisse, namentlich polizeiliche, lassen. Ebenso waren die Vorstände der vielen Vereinigungen, wie die gemeinsame Verfolgung politischer, kriegerischer, geselliger, religiöser, sittlicher und rechtsgenossenschaftlicher Zwecke sie im Mittelalter leicht
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„Annolied" um die Mitte des zwölften Jahrhunderts) in großer Zahl.
Die Krone aller poetischen Erzeugnisse aber ist das wahrscheinlich auch dieser Zeit angehörende Nibelungenlied, dem sich die Gudrun würdig anschließt. Ersteres, dessen einzelne Lieder durch einen österreichischen Ritter, „der Kürenberger", zu einer einzigen Dichtung vereinigt sein sollen, schildert die Kämpfe der Burgunden mit den Hunnen zur Zeit der Völkerwanderung, letzteres schildert das bewegte Leben der alten Seekönige an der Nordsee und verherrlicht die stiüduldende Treue des Weibes, während im Nibelungenliede mehr die beharrlich ringende hervortritt.
In dem dichterischen Ausgestalten der Stoffe, welche die Phantasie des Volkes so nachhaltig erregten, daß die herrlichsten Lieder (Nibelungen und Gudrun) unmittelbar aus dem Gemüte hervorgegangen zu sein scheinen und keinem einzelnen Dichter angehören, sondern das ganze Volk gleichsam zum Verfasser haben, offenbart sich das gewaltige Ringen des deutschen Geistes nach Befreiung von den Fesseln der fremden Sprache. Letztere ward verdrängt, als sich die eigene Sprache mehr und mehr dem reicheren Geistesleben anschmiegen lernte. Sie ward beweglicher in ihren Wandlungsformen, die volltönenden Endsilben wichen immer mehr den tonlosen, die nur das e noch beibehielten; an die Stelle des „Althochdeutsch" trat das sogenannte „Mittelhochdeutsch". Letzteres erwuchs aus der schwäbischen Mundart und errang bald die ausschließliche Herrschaft in der Mitte und im Süden unseres Vaterlandes, sie herrschte von 1150—1500.
Während die lateinische Dichtung ganz in den Händen der Geist- ^uz-lichen gelegen hatte, erfaßte die Begeisterung, welche von den Kreuzzügen ausging, jetzt auch die Laien. Namentlich war es der Stand der Ritter, den das Wehen einer großen Zeit zu poetischen Schöpfungen drängte, in denen sich das Geistesleben der damaligen Welt getreulich abspiegelt. Man bezeichnet diese Periode als die erste Blüte unserer Sprache, sie war eine höfisch-ritterliche und zog nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Stoffe in ihr Bereich, denen sie aber stets den Stempel deutschen Geistes aufprägte. — Der erste Kreuzzug (1096—1099) unter Gottfried von Bouillon fiel in die unglückliche Zeit der Regierung Kaiser Heinrichs Iv. und ging fast spurlos an Deutschland vorüber, erst an den folgenden unter Konrad Iii.
(1147— 1149) und unter Friedrich I. Barbarossa (1189 — 1192) haben sich die Deutschen in großen Scharen beteiligt. Viele trieb jeden-
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mit dem Namen der romantischen zu bezeichnen versucht hat. Sie ergriff die heißblütigen Südländer. Franzosen. Italiener, Spanier bei weitem stärker als die Nordländer. Engländer. Dänen u. s. w.. und so geschah es denn, daß die Erzeugnisse der Romantik, besonders die höfisch-ritterliche Dichtung erst auf dem Umwege über Frankreich nach Deutschland kam. Den Liedern der Troubadours und der Trouveres mit ihrer sprühenden Lebens- und Liebeslust folgten in unserm Vaterlande die Minnelieder und die großartigen Schöpfungen des „heiligen Gral", „Parcival", „Titurel", „Tristan und Isolde", „Jwein" u. a.
Sie bilden das Gegenstück zu den gewaltigen Volksepen Nibelungenlied und Gudrun und lieben gegenüber der schlichten, naturwahren Auffassung des Volksgesanges „glänzende Darstellung. Ausschmückung von Haupt- und Nebenumständen, breite Schilderungen, Einmischung von Betrachtungen über das Erzählte".
Die Minnelieder entsprangen einem eigentümlichen Verhältnis, in welches die beiden Geschlechter zu einander getreten waren, dem^sang. Dienst der Frauen oder dem Minnedienst. Er trat im Leben des Ritters neben dem Dienst der Ehre und dem Dienst der Kirche in den Vordergrund. „Der Ritter widmete sein Schwert irgend einer Dame, trug deren Farben, kämpfte, wenn es nötig, für deren Ehre (z. B. indem er sie für die schönste aller Frauen erklärte), bestand auch wohl auf ihr Verlangen allerhand Abenteuer ihr zum Ruhme. Es machte beim Minnedienst' nichts aus, ob eines von beiden oder auch beide verheiratet waren. Bei der Dame war dies sogar die Regel, ebenso das, daß sie von höherem Range war als der ihr dienende Ritter. Die eigene Frau des Ritters konnte keinesfalls seine ,Herrin° sein." Während in der ersten Zeit (von 1170 an) dem Minnedienst- ein idealer Zug und sittlicher Ernst innewohnte, so daß Walther von der Vogelweide singen konnte:
Die Minne ist nicht Mann noch Weib, hat weder Seel', noch ist sie Leib; sie hat auf Erden nicht ein Bild, ihr Nam' ist kund, sie selbst verhüllt.
Nur eines wisse, daß noch nie zu falschem Herzen Minne trat! und wiß das andre: daß ohn sie sich Gottes Huld dir niemals naht!
lagen doch in ihm die Keime seines Verfalls bereits verborgen, da er der Frau eine widersinnige, unnatürliche Stellung gab: neben, vielfach
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Extrahierte Personennamen: Gudrun Gudrun Ernst Walther
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über der Ehefrau thronte die ,Herrin- im Herzen des Mannes. Die Ausartung des .Minnedienstes' ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Ulrich von Liechtenstein, einer der Vorfahren der jetzigen Fürsten von Liechtenstein, schildert in seinem , Frauendienst < die Irrfahrten und Absonderlichkeiten seines dreiunddreißigjährigen Minne-und Ritterlebens und liefert damit den schlagendsten Beweis für die Unhaltbarkeit eines Verhältnisses, das auf die schmale Grenze von Sittlichkeit und Unsittlichkeit gegründet wurde. Auf dem Höhenpunkte ihrer Blüte bieten die Minnelieder allerdings manche köstliche Perle dar, die ihren Wert niemals verliert, solange es ein deutsches Volk und eine deutsche Sprache giebt.
Die Manessische Liederhandschrift, die im dreißigjährigen Kriege durch die Franzosen von Heidelberg nach Paris entführt war, wurde unter der Regierung Kaiser Wilhelms I. durch Vermittlung des Buchhändlers Karl Trübner aus Straßburg für 300 000 Ji. zurückgekauft und auf Befehl Kaiser Friedrichs Iii. am 10. April 1888 der Bibliotheka Palatina in Heidelberg zurückgegeben. Sie zählt
„140 Sängernamen auf, voran Kaiser. Könige. Fürsten. Grafen, dann
die alten Meister und ihre ritterlichen Jünger, unter ihnen auch ein Jude: Süßkind von Trimberg. Es ist ein Band in mittlerem Folio mit 429 Blättern von starkem schönen Pergament, auf denen in schöner deutlicher Schrift die Lieder verzeichnet stehen. Die Anfangsbuchstaben der Strophen sind in bunten Farben gemalt, den meisten Sängern ist ihr Bildnis vorangestellt, das immer eine ganze Seite einnimmt und noch jetzt in Gold und frischen Farben prangt. Allen voran Kaiser Heinrich Vi. (f 1197) im Purpurmantel mit Scepter und Krone und Konradin, der letzte Hohenstaufe. der jugendlich
sein Roß ansprengt, mit zwei bellenden Hunden, die Hand nach dem
Falken aufgehoben, der in der Verfolgung eines kleinen Vogels sich emporschwingt." — Außer der Manessischen findet sich in der Privatbibliothek des Königs von Württemberg eine ältere kleinere, nur fünfundzwanzig Minnesänger umfassende Sammlung, die lange Zeit dem Kloster Weingarten gehörte und daher die Weingartener Handschrift heißt. „Eine dritte Handschrift ist in Heidelberg." Die bedeutendsten Minnesänger sind: der von Kürenberg, Dietmar von Aist, Spervogel, Heinrich von Veldeke, Reinmar der Alte, Reinmar vonzweter, Walther von der Vogelweide, den Gottfried von Straßburg für den Würdigsten erklärt, Anführer
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Extrahierte Personennamen: Ulrich_von_Liechtenstein Wilhelms_I. Karl_Trübner Karl Friedrichs Heinrich_Vi Heinrich Konradin Dietmar_von_Aist Heinrich_von_Veldeke Heinrich Reinmar_der_Alte Reinmar Walther Gottfried_von_Straßburg